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Andrea Johlige

Bezahlkarte für Geflüchtete: Damit verlieren wir alle, außer einer… and the winner is… Mastercard

Seit Monaten geistert die Bezahlkarte für Geflüchtete durch die politischen Debatten. Ausgedacht auf den Fluren der Bundestagsfraktion der AfD hat sie es nicht nur in den politischen Mainstream geschafft, sondern wird nun auch Realität. Zum Nachteil von uns allen. Aber es gibt auch Gewinner. Aber dazu später.

Beginnen wir erst einmal mit der Frage: Was ist da denn nun eigentlich geplant?

Schon diese Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten, da über die Ausgestaltung teils noch debattiert wird, es aber bundesweit zu einem Flickenteppich verschiedener Regelungen kommen wird. Die Bezahlkarte, die die Geflüchteten am Ende in der Hand halten, werden sich vor allem in folgenden Punkten unterscheiden: räumliche Gültigkeit (begrenzt auf Postleitzahlbereiche, einzelne Kommunen oder Landkreise, das Bundesland oder bundesweit gültig), Möglichkeit von Überweisungen (in den meisten Fällen wird es diese Möglichkeit nicht geben), Möglichkeit des Bezahlens online (auch diese Möglichkeit soll meist nicht bestehen), Höhe der möglichen Bargeldabhebungen (volle Verfügbarkeit oder Begrenzung auf bestimmte Höhe) und Zahlungsdienstleister. Entgegen bisherigen Aussagen, scheint die Begrenzung auf bestimmte Warengruppen, die mit der Karte bezahlt werden können, nicht mehr auf der Agenda zu sein, vermutlich liegt das aber vor allem an den Grenzen, was Zahlungsdienstleister abbilden können.

Klar ist bislang, dass es auf Bundesebene eine Gesetzesänderung geben wird, die Rechtssicherheit für die Einführung solcher Bezahlkarten herstellen soll. Die meisten Bundesländer streben eine gemeinsame bundesweite Lösung an. So auch Brandenburg, die Koalition aus SPD, CDU und Grünen hat hierfür 1,9 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Allerdings gibt es auch schon einige Alleingänge, Bayern hat bereits eine Bezahlkarte eingeführt, auch einzelne Landkreise, in Brandenburg der Landkreis Märkisch Oderland, sind vorgeprescht und haben die Karte bereits eingeführt oder die Einführung steht kurz bevor.

Im Kern geht es darum, dass Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz oder auch Analogleistungen nach SGB XII nicht mehr an die Geflüchteten aufs Konto oder in bar ausgezahlt werden, sondern diese Leistungen auf eine elektronische Bezahlkarte hinterlegt sind. Mit dieser Karte kann dann auf Guthabenbasis (also ohne Möglichkeit, mehr auszugeben, als auf der Karte ist) in Geschäften bezahlt werden. Klingt im ersten Moment ok, schließlich machen wir das alle jeden Tag. Jedoch gibt es eine Menge Probleme.

Aber kommen wir erstmal zu den Pro-Argumenten. Was spricht für eine solche Bezahlkarte?

Grundsätzlich könnte eine solche Karte das Leben von Geflüchteten, vor allem von denen, die kein Konto haben, erleichtern. Wenn sie denn diskriminierungsfrei wäre, also Barabhebungen, Überweisungen, Online-Zahlungen und Lastschriften ohne Beschränkung möglich wären und es auch keine räumlichen Beschränkungen der Gültigkeit der Karte gäbe. Genau das ist aber nicht geplant. Es ging bei der Einführung der Bezahlkarte nie darum, Geflüchteten das Leben zu erleichtern. Und deshalb ist dieses Argument schlicht falsch.

Aber kommen wir zum wohl häufigsten Argument für die Bezahlkarte: Der bürokratische Aufwand für die Kommunen wird verringert

Uns wird immer erzählt, die Bezahlkarte würde den bürokratischen Aufwand in Kommunen verringern. Das ist – sorry – Bullshit. Dazu hilft es, sich anzuschauen, wie es bisher läuft. Alle Kommunen in Brandenburg außer dem Landkreis Märkisch Oderland überweisen den Geflüchteten die Leistungen auf deren Konto – sofern sie eines haben. Haben sie keines, werden die Leistungen in bar ausgezahlt. Märkisch Oderland zahlt grundsätzlich nur bar aus – mit dem Argument, sie wollten die Geflüchteten mindestens einmal im Monat auf dem Amt sehen. Die Bezahlkarte wird in den Kommunen, die bisher auf Konten überweisen, nur dort den bürokratischen Aufwand reduzieren, wo viele Geflüchtete kein Konto haben. Diesen Aufwand könnte man übrigens viel einfacher – und diskriminierungsfrei – reduzieren, indem man mit den Sparkassen klärt, dass alle Menschen im Land (also nicht nur die Geflüchteten) Zugang zu einem kostenfreien Girokonto haben müssen. Dann könnten alle Leistungen einfach überwiesen werden. Was aber wird jetzt passieren? Es wird Bezahlkarten für alle geben. Die Kommunen müssen also erst einmal alles umstellen: Umstellung von Überweisungen von den bisherigen Konten auf Karten, Ausgabe der Karten, Neubeschaffung bei Verlust, Aufwand bei technischen Problemen…

Jetzt könnte man sagen: Aber in Märkisch Oderland wird der Aufwand reduziert, weil dort wurde ja bisher nur bar ausgezahlt. Nunja, auch das ist nicht der Fall. Denn Märkisch Oderland hat entschieden, dass die Leistungen nicht etwa auf die Karten überwiesen werden, sondern die Geflüchteten auch weiterhin einmal im Monat aufs Amt kommen müssen, um die Karte vor Ort aufzuladen. Was übrigens auch zeigt, dass es bei der Einführung der Bezahlkarte um sehr viel geht, aber gerade nicht um die Reduzierung der Bürokratie und die Entlastung der Kommunen.

Damit ist der bürokratische Aufwand aber noch nicht erschöpft. Im Gegenteil: Es werden viele neue Probleme entstehen, die für zusätzlichen Aufwand bei den Kommunen sorgen werden.

Kommen wir zum nächsten Argument für die Bezahlkarte: Es sollen keine Schlepper mehr bezahlt und die Geflüchteten sollen kein Geld mehr ins Ausland überweisen können.

Auch dieses Argument entbehrt – so einleuchtend es erst einmal klingen mag – jeder Grundlage. Zwar geistert die Erzählung, Flüchtlinge würden nach Ankunft in Deutschland ihre Fluchthelfer von ihren Sozialleistungen bezahlen, seit Monaten durch die politische Debatte. Es fehlt jedoch schlicht der Nachweis, dass dies auch tatsächlich geschieht. Der Innenminister Brandenburgs, Michael Stübgen, hat sich dieses Arguments mehrfach bedient, konnte aber auf Nachfrage im Innenausschuss des Landtages keinerlei Belege dafür bringen. Nach allem, was über das Geschäft der Fluchthilfe bekannt ist, gibt es dort genau einen Grundsatz und der heißt: Vorkasse. Die ist auch logisch angesichts der Gefahren einer Flucht, die in nahezu allen Etappen bestehen. Warum sollten Fluchthelfer also auf Kredit arbeiten? In der vagen Hoffnung, dass diejenigen, denen die Flucht glückt, dann später auf welchem Weg auch immer Geld überweisen? Und ohne eine ernsthafte Handhabe zum Eintreiben? Wenig plausibel und ohne jeden Beleg. Das Argument hält sich aber hartnäckig, auch Dank Herrn Stübgen. Getreu dem Motto: Na wenn der Innenminister das sagt, muss es ja stimmen….

Ähnlich verhält es sich bei der Frage, ob Geflüchtete Geld aus Asylbewerberleistungen ins Ausland überweisen. Klar ist, es gibt Auslandsüberweisungen, auch und gerade von Menschen mit Fluchthintergrund. Weil sie ihre Familien unterstützen wollen und damit übrigens deren Überleben vor Ort sichern und in der Konsequenz verhindern, dass diese auch noch fliehen müssen. Solche Unterstützungsüberweisungen verhindern also Flucht und damit auch Flucht nach Deutschland. Aber: Das betrifft in erster Linie Geflüchtete, die arbeiten gehen. Denn nur ein Einkommen über dem Existenzminimum ermöglicht es, nennenswerte Summen in die Heimat zu überweisen. Ein Grund übrigens, warum sehr viele Geflüchtete schnell arbeiten wollen. Es gibt aber keinerlei Beleg, dass Geflüchtete aus den Asylbewerberleistungen tatsächlich Geld ins Ausland transferieren.

Um aber deutlich zu machen, warum es sehr unwahrscheinlich ist, dass Geflüchtete von den Asylbewerberleistungen Geld ins Ausland überweisen können, seien hier noch einmal die Bedarfssätze aufgeführt: Bedarfsstufe 1 – Alleinstehende und Alleinerziehende -: 256 Euro notwendiger Bedarf und 204 Euro persönlicher Bedarf, also 460 Euro monatlich; Bedarfsstufe 2 – Paare -: 413 Euro monatlich pro Person. Kinder und Jugendliche erhalten weniger: zwischen 312 und 408 Euro pro Person im Monat. Diese Sätze liegen deutlich unter denen des Bürgergelds. Wer auch nur einmal kurz darüber nachdenkt, was Lebensmittel, Sachen zum Anziehen, Hygieneartikel usw. kosten, weiß, dass es eine riesige Herausforderung ist, von diesen Geldleistungen irgendwie den Lebensunterhalt zu bestreiten.

Es gibt aber – neben diesen praktischen Erwägungen auch keinerlei Beleg für die Behauptung, Geflüchtete würden aus Asylbewerberleistungen Geld ins Ausland transferieren. Der Bundestagsabgeordnete Christian Görke hat die Bundesregierung gefragt, wie hoch nach Kenntnis oder Schätzung der Bundesregierung der jährliche Gesamtbetrag aller Rücküberweisungen aus Deutschland ist, der auf Personen zurück geht, die Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz beziehen. Er bekam am 8. Februar 2024 zur Antwort: „Der Bundesregierung liegen hierzu keine Daten vor. Die Bundesregierung hat hierzu auch keine eigenen Schätzungen vorgenommen.“ Auch die Landesregierung musste auf meine Anfrage hin in der Drucksache 7/9444 zugeben, dass landesseitig keine Erkenntnisse hierzu vorliegen. Das heißt im Kern: Auch das Argument, dass durch die Einführung einer Bezahlkarte Überweisungen von Sozialleistungen ins Ausland verhindert werden sollen, entbehrt jeder Faktengrundlage.

Aber es gibt noch ein weiteres Argument, das von Befürwortern der Bezahlkarte immer wieder ins Feld geführt wird: Durch die Bezahlkarte soll der Anreiz reduziert werden, nach Deutschland zu kommen.

Hier müssen wir kurz in die Migrationsforschung eintauchen. Es gibt Push-Faktoren für Migration. Das sind die Gründe, warum Menschen überhaupt aus ihrer Heimat fliehen. Das sind Krieg, Hunger, Verfolgung und Folter, Hunger, Klimakatstrophen usw. Und dann gibt es Pull-Faktoren. Diese bezeichnen, warum Menschen ein bestimmtes Zielland für ihre Flucht wählen. Es wird immer wieder argumentiert, dass die angeblich hohen Geldleistungen in Deutschland ein solcher Pull-Faktor seien. Klingt auch erst einmal plausibel. Das Problem ist, auch dafür gibt es keine Belege. Die Migrationsforschung kennt mehrere Faktoren, warum Menschen nach Deutschland kommen:

  1. Da ist eine koloniale Verbindung zu Deutschland – Menschen aus den ehemaligen deutschen Kolonien streben nach Deutschland. Dieses Phänomen gibt es auch bei anderen ehemaligen Kolonialstaaten, und es hat nicht nur etwas mit der Sprache, sondern tatsächlich auch etwas mit kultureller Tradition zu tun.
  2. Deutschland gilt als Land mit guten Arbeitsbedingungen und einem hohen Arbeitskräftebedarf. Das stimmt übrigens, und es trifft sich ja eigentlich ganz gut, angesichts des Personalmangels allerorts.
  3. familiäre Bindungen – sie erleichtern übrigens die Integration.
  4. ein gutes Gesundheitssystem – das ist vor allem für Menschen mit Kriegsverletzung oder Krankheiten, die nicht überall behandelbar sind, wichtig.
  5. neuerdings vor allem bei Afghanen: Sie haben bereits in ihrem Heimatland für Deutschland gearbeitet.

Das sind die Pull-Faktoren, die nachgewiesen sind. Hohe Sozialleistungen oder auch, um bei der Debatte zur Bezahlkarte zu bleiben, Barauszahlungen gehören nicht dazu – schlicht, weil die Menschen, die zu uns fliehen, in der Regel arbeiten und sich ein eigenständiges Leben aufbauen wollen.

Auch das Argument der Befürworter der Bezahlkarte, diese würde die Migration nach Deutschland eindämmen, ist durch nichts belegt. Die Bezahlkarte wird nicht dazu führen, dass auch nur ein einziger Flüchtling weniger nach Deutschland kommt.

Die Frage eingangs, was für die Einführung einer Bezahlkarte spricht, ist insofern ganz kurz zu beantworten: Nichts. Alle Pro-Argumente in der Debatte sind falsch oder zumindest nicht belegt.

Was aber spricht gegen die Einführung einer Bezahlkarte?

Das kann man kurz zusammenfassen: Die Bezahlkarte diskriminiert, verhindert gesellschaftliche Teilhabe und Integration und schafft einen Haufen neuer Probleme.

Sie diskriminiert, weil mit ihr durch den Staat einer Gruppe von Menschen vorgeschrieben werden soll, wie diese ihr – weniges – Geld auszugeben hat. Und ja, es ist ihr Geld. Es steht ihnen zu, weil es ein – übrigens durch das Bundesverfassungsgericht bestätigtes – Existenzminimum gibt, das einem Menschen zusteht, der in unserem Land lebt. Das hat etwas mit der Würde des Menschen zu tun, die – leider muss man in dieser Debatte daran erinnern – unantastbar ist. Der Staat – oder auch Abgeordnete von Parlamenten, Verwaltungen, Minister…. – schwingen sich also dazu auf, einer Gruppe von Menschen in unserem Land zu unterstellen, sie könnten nicht mit dem ihnen zustehenden Geld umgehen und deshalb müssten die, die es besser wissen, festlegen, wie dies zu tun ist. Das ist nicht nur Diskriminierung, sondern Entmündigung! Entmündigung heißt aber auch, diesen Menschen das Recht abzuerkennen, ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben führen zu können.

Die Bezahlkarte nimmt das Recht auf Teilhabe an der Gesellschaft und verhindert Integration. Die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes liegen unter denen des Bürgergelds. Sie sind gerade so ausreichend, die Existenz zu sichern. Sie sind aber kaum geeignet, gesellschaftliche Teilhabe zu sichern. Die Menschen, die Asylbewerberleistungen erhalten sind die ärmsten unserer Gesellschaft. Und genau diesen wird nun – durch die Einführung der Bezahlkarte mit den geplanten Einschränkungen – das Leben weiter erschwert.

Die geplante Beschränkung der Bargeldabhebung – in Brandenburg sollen nach einem Beschluss des Landkreistages nur 50 Euro für Erwachsene und 10 Euro für Kinder in bar zu erhalten sein – wird zum totalen Ausschluss aus der Gesellschaft führen. Machen wir es praktisch: bei 10 Euro im Monat in bar für Kinder und Jugendliche ist nicht einmal der Schulausflug drin (ok, den Betrag könnte man auch dem Lehrer oder der Lehrerin überweisen, nur geht genau das auch bei der geplanten Ausgestaltung der Bezahlkarte nicht). Ein Eis im Schwimmbad? Eine Cola mit Freunden? Mit dem Bus in die Stadt fahren? Alles nicht drin.

Und für Erwachsene 50 Euro? Der geringe Leistungssatz ermöglicht es nicht, Sachen zum Anziehen für Kinder oder Erwachsene, Möbel oder Küchengeräte neu zu kaufen. Auf dem Flohmarkt oder über Kleinanzeige kann man aber in der Regel nicht mit Karte bezahlen. Und Überweisungen gehen nicht mit der Karte. Damit wird künftig keine Möglichkeit bestehen,  Dinge gebraucht zu kaufen. Auch bei der Tafel oder in der Kleiderkammer wird es schwierig: In der Regel gibt es hier einen Eigenanteil. Nur: Wie soll der gezahlt werden?

Und dann die Frage der Überweisungen oder Abbuchungen. Schauen Sie einfach mal auf Ihren Kontoauszug, wofür monatlich Beträge abgebucht werden: Handy und Internet, ÖPNV-Fahrkarte, Essensgeld für das Kind in der Schule, Musikschule, Sportverein. Und jetzt stellen Sie sich den Aufwand vor, wenn Sie all das nicht mehr überweisen könnten bzw. es automatisch abgebucht wird, sondern sie dies mit einer Karte vor Ort bezahlen müssten. Ja, da sind auch Sachen dabei, die man gar nicht mit Karte bezahlen kann, sondern mit Glück in bar. Aber bar können Sie gar nicht bezahlen, weil Ihnen ja nur 50 Euro im Monat für sich selbst und 10 Euro für ihr Kind zustehen. Da müsste einiges wegfallen? Und genau dieses kleine Gedankenexperiment zeigt sehr schnell, was der Effekt der Bezahlkarte ist: Die Bezahlkarte sorgt – so wie jetzt geplant – für den Ausschluss aus der Gesellschaft. Und schafft neue Probleme, die dann wiederum mit viel Aufwand gelöst werden müssen.

Bisher haben wir also kein Argument für die Einführung der Bezahlkarte gefunden, aber viele dagegen. Sie wird aber bundesweit eingeführt. Was ist denn nun wirklich der Grund?

Genau über diese Frage habe ich sehr lange nachgedacht. Vor allem, weil offensichtlich ist, dass der Schaden durch die Einführung einer solchen Bezahlkarte massiv ist – vor allem für jegliche Integrationsbemühungen. Und für die Integration der Geflüchteten sind ja eigentlich alle (außer die ganz Rechten, versteht sich). Ich komme nur zu einer einzigen Erklärung, die mir persönlich so gar nicht gefällt, aber eine andere habe ich nicht gefunden: Es geht eigentlich darum, durch eine „harte Gangart“ gegen Geflüchtete der AfD Stimmen abzujagen.

Das ist sicher eine gewagte These. Aber wir erleben seit Monaten genau das: SPD und CDU überbieten sich bundesweit aber auch in Brandenburg dabei, wie Geflüchtete am besten gegängelt werden können. Der CDU-Parteivorsitzende schwadroniert über Obergrenzen und fiel durch die Behauptung auf, die Flüchtlinge würden den Deutschen die Arzt-Termine wegnehmen um sich neue Zähne machen zu lassen (Blödsinn übrigens, vor allem weil im Asylbewerberleistungsbezug die ärztlichen Leistungen eingeschränkt sind), der Bundeskanzler spricht von einer Abschiebeoffensive in großem Stil, Integrationsinstrumente werden zusammengekürzt (in Brandenburg bspw. das Integrationsbudget) und nun sollen nach Plänen des SPD-Landrats von Märkisch Oderland und des CDU-Innenministers Geflüchtete auf eine Insel in der Oder verfrachtet werden, um sie weitab ihrer sozialen Kontakte zur „freiwilligen Ausreise“ zu bringen. Es ist „in“, auf den Schwächsten der Gesellschaft (und das sind Geflüchtete) rumzuhacken und Ressentiments zu schüren. Ähnlich faktenfrei wie die Debatte zur Bezahlkarte wird der gesamte Diskurs um die Migrationspolitik geführt.

Aber er schafft immer eines: Es werden Vorbehalte gegen Geflüchtete geschürt. Und auch wenn das SPD und CDU nicht wahrhaben wollen – es stärkt am Ende die AfD. Hier werden Forderungen der AfD zu realer Politik  – ohne dass sie regiert. Wahlerfolge haben aber immer etwas mit zugeschriebener Gestaltungsmacht zu tun. Die AfD muss gar nicht regieren. Indem CDU und SPD sich aus Angst vor Wahlerfolgen der AfD deren Forderungen zu eigen machen, geben sie ihr reale Gestaltungsmacht – und stärken sie damit weiter. Und damit wird – obwohl das Gegenteil erreicht werden sollte –  die AfD durch die Einführung der Bezahlkarte und die Debatten drumherum weiter gestärkt.

Es gibt aber ein weiteres Problem: Mit der Bezahlkarte wird der Sozialstaat ausgehebelt. Bisher war das Sozialstaatsversprechen in etwa so zu beschreiben: Der Staat hilft denen, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht in der Lage sind, ihr Leben selbst zu finanzieren, dennoch ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben führen zu können. Im Falle der Geflüchteten gilt das nicht mehr. Nun gilt: Wenn du nicht in der Lage bist, dein Leben selbst zu finanzieren, sagt der Staat dir, wie du zu leben hast und wofür du wie dein Geld auszugeben hast. Und beschneidet nebenbei deine Teilhabemöglichkeiten nach Gutdünken. Das mag erst einmal für viele nicht so schlimm wirken: Trifft ja nur Geflüchtete. Aber wer sagt uns eigentlich, dass das nicht nur der Anfang ist? Wer in den vergangenen Monaten den politischen Diskurs aufmerksam beobachtet hat, musste erkennen, dass auch die Ressentiments gegen andere Gruppen sozial Benachteiligter, vor allem der Bürgergeldempfänger*innen, massiv geschürt werden. Ich gehe jede Wette ein, dass die Bezahlkarte für Geflüchtete nur der Anfang ist. Spätestens im Bundestagswahlkampf im kommenden Jahr werden wir erleben, dass es Forderungen von FDP und CDU geben wird, diese Karte auf die Empfänger*innen von Bürgergeld auszuweisen. Es beginnt mit der Gruppe, die die geringste Lobby hat (und das sind Geflüchtete nun mal). Aber damit wird es nicht enden! Und dann gilt bald auch für Bürgergeldempfänger*innen, dass der Staat entscheidet, welche Teilhabemöglichkeiten sie noch haben.

Aber ich möchte nochmal zur Bezahlkarte zurückkommen, weil es noch einen weiteren Aspekt gibt, der mit der Bezahlkarte zusammenhängt. Diesem habe ich sogar die Überschrift dieses Artikels gewidmet: Verlierer sind wir alle, aber es gibt einen Gewinner.

Warum sind wir alle Verlierer? Das ist relativ einfach zu erklären. Die Einführung der Bezahlkarte wird – wie dargelegt – Teilhabe verhindern und Integration erschweren. Gescheiterte Integration hat aber praktische Wirkungen: weniger Menschen, die im Arbeitsmarkt Fuß fassen (und damit höhere Sozialausgaben, geringere Steuereinnahmen, weniger Stabilisierung der Sozialsysteme), höhere Folgekosten für psychische Erkrankungen, höhere Kriminalität, stärkere Belastung der Sozialverbände und -vereine wie auch der ehrenamtlichen Initiativen usw. Kurz: schlechte Integration kostet die Gesellschaft in einigen Jahren richtig Geld, weil sie Probleme produziert, die vermeidbar wären.

Das ist aber nicht alles: Die Einführung der Bezahlkarte wird auch volkswirtschaftliche Auswirkungen haben. Viele kleine Einzelhandelsunternehmen vor Ort oder diejenigen, die das Gemüse auf dem Wochenmarkt verkaufen, haben keine Geräte, bei denen man mit Karte bezahlen kann. Sie verlieren Kunden, wenn Geflüchtete kein Bargeld mehr haben. Oder aber sie schaffen sich ein Gerät für elektronische Zahlungen an – und geben bei jeder Zahlung ca. 2 bis 3 Prozent ihres Umsatzes an den Zahlungsdienstleister ab.

Und da sind wir bei einer wirklich spannenden Frage: Wer verdient eigentlich an der Bezahlkarte? So richtig redet ja niemand darüber, aber inzwischen ist klar, dass es keinen deutschen und auch keinen europäischen Zahlungsdienstleister geben wird, der die Bezahlkarte für Geflüchtete abwickeln wird. Zwar gibt es Firmen in Deutschland, die den Zwischendienstleister spielen. Sie alle sind aber an einen internationalen Zahlungsdienstleister gebunden und dem Vernehmen nach wird das Mastercard sein. Im Kern heißt das: ein börsennotiertes amerikanisches Unternehmen verdient künftig an der Auszahlung von Sozialleistungen in Deutschland. Weil SPD und CDU hoffen, mit der Gängelung von Geflüchteten der AfD Stimmen abzujagen, wird also einem amerikanischen Konzern ein Teil der Ausgaben für soziale Leistungen in den Rachen geworfen. Na herzlichen Glückwunsch! Aber der Schaden ist noch größer: Der Zahlungsdienstleister verdient nicht nur an der Auszahlung der Sozialleistungen, sondern noch einmal über die Bezahlung der mit der Karte bezahlten Waren, also über den Einzelhändler durch die Beteiligung an dessen Umsatz.

Und deshalb komme ich zu folgendem Fazit: Die Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete schadet am Ende allen – den Geflüchteten wegen des Ausschlusses aus dem sozialen Leben, der Gesellschaft wegen der Folgekosten des damit vorprogrammierten Scheiterns von Integration, der Wirtschaft in Brandenburg wegen der beschriebenen Effekte beim Konsum und der Politik durch das Schleifen des Sozialstaats und das Über-Bord-Werfen humanitärer Werte. Und der Kniefall vor der AfD wird diese stärken. Am Ende verlieren wir alle. Aber einen Gewinner gibt es! The winner is: Mastercard. Herzlichen Glückwunsch!

 


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