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Kann ein Lied die Welt retten?

Im Gespräch mit Tino Eisbrenner. Der Rockpoet gibt auf dem Altstadtsommerhof der LINKEN am Sonntag ein Konzert

Elena Dmitrieva
Tino Eisbrenner
Tino Eisbrenner

Die Band "Jessica“ ist Geschichte, wie auch das Land, in dem „Ich beobachte Dich“, „Bring mir die Sonne“, „Mama“, „Spieler“ und Ihre erste Solosingle „Kleine Mädchen“ zu Hits der Achtziger wurden. Ihre aktuelleren Songtexte lassen auf einen sehr engagierten Künstler schließen. Welche Themen inspirieren Sie besonders zu Liedern?
Tino Eisbrenner: Ich bin im Grunde meiner Seele ein Träumer, vielleicht ein Hippie, ein Huckleberry Finn der Rockmusik. Aber um zu träumen, muss man auch wahrnehmen, was um einen vorgeht. Man muss Traum und Wirklichkeit unterscheiden und vergleichen können und das hat mich in den knapp 40 Jahren meines Künstlerdaseins zu einem politisch denkenden und sich einmischenden Songschreiber gemacht. Ich gehe mit offenen Augen durch die Welt – und ich meine die ganze Welt – und ich nehme mein Publikum mit auf diese Reise. Ich nehme es mit an den Tellerrand und wir gucken gemeinsam drüber. Und wir entdecken gemeinsam das zarte geschundene Pflänzchen, das man Poesie nennt.

Sie sind nicht nur ein Songpoet, sondern auch ein Buchautor. In "Das Lied vom Frieden" thematisieren Sie die Beziehungen des Westens zu Russland. Auf Ihren Tourneen haben Sie dieses Land näher kennengelernt. Wie denken Sie über Russlands Politik und die Reaktionen des Westens?
Schon Ihre Fragestellung lässt mich stutzen: Ist es tatsächlich so herum? Oder ist es vielleicht der Westen, der aus alter Tradition und Gier nach Russlands Reichtümern dem Russischen Bären permanent auf den Pelz rückt mit der scheinbar unaufhaltsamen Nato-Osterweiterung und Manövern vor der russischen Grenze, die man „Anaconda“ nennt? Und wie, meinen wir, soll ein Land, das noch immer das Trauma des letzten Weltkrieges, dessen Hauptlast es zu tragen hatte, zu verarbeiten sucht, auf diese Würgeschlangentaktik reagieren? Ich denke vor allem, dass wir Deutschen uns unserer einstigen, zum Teil uralten freundschaftlichen Beziehungen zu Russland erinnern sollten. Sowie auch der großen Schuld, die wir gegenüber diesem Volk auf uns geladen haben, anstatt uns darin zu gefallen, das größte Land der Welt zu unseren Gunsten erziehen zu wollen.

2003 sangen Sie vor einer halben Million Menschen gegen den Irak-Krieg der USA. Heute ist es wieder die USA, deren Handlungen eine militärische Intervention gehen den Iran möglich erscheinen lassen. Ist die Friedensbewegung heute stark genug, dies zu verhindern?
Die Friedensbewegung ist immer so stark und groß, wie die Angst vor einer nahenden Katastrophe. Damals dachten wir alle, es gelte einen dritten Weltkrieg zu verhindern. Unsere Angst und unsere Wut waren enorm und brachten allein in Berlin fünfhunderttausend Menschen auf die Straße. Leider wird in unserer Gesellschaft nie die Ästhetik des Friedens gelehrt, sondern nur das Ellenbogenprinzip, das Wolfsge-setz. Darum ist Friedensbewegung nichts Alltägliches und Selbstverständliches mehr. Die Leute sagen: „Wieso denn? Ist doch grad gar nischt.“ Nur wenn die Menschen begreifen, dass wir heutzutage von jedem Krieg betroffen sind und dass unsere Regierung die aktuellen Kriege direkt oder indirekt sogar verursacht und mitgestaltet, dann werden sie hoffentlich aufstehen und sagen: „Stopp! Nicht in meinem Namen, mit meinen Steuern und keinesfalls mit unseren Söhnen und Töchtern!“

Liest man auf Wikipedia Ihren Lebenslauf, fallen einige ungewöhnliche Stationen auf. So lebten Sie einige Jahre unter Indianern. Was hat Sie dazu inspiriert? Was haben Sie von dort für Ihr Leben und ihre Musik mitgenommen?
Es waren wieder meine Träume, die mich dorthin gebracht hatten. Die Bücher, die ich als Kind gelesen hatte. Die Defa-Filme, durch die ich an der Seite von Gojko Mitic geritten war. Mein Land war verschwunden und ich folgte meinen Kindheitsträumen auf der Suche nach Heimat. Ich habe dort Abstand zu dem jungen Rock/Pop-Star gefunden, der ich von 1884-1989 hatte sein dürfen und ich habe den Tino Eisbrenner entdeckt, der hinter all dem steckte, der ein Romantiker und Weltenbummler ist aber für sein größtes Talent, nämlich den poetischen Umgang mit der deutschen Sprache, irgendwann nach Hause zurückkehren wollte. Indianisches Denken ist in viele Bereiche meines Lebens eingezogen. Ich lebe den Traum vom Bauernhof und veranstalte dort jährlich mein Sommerfestival „Musik statt Krieg“ (17.08.19). Und neulich in Tiblissi sagt eine Georgierin zu mir: „Während Du Deine Lieder gesungen hast ist mir klar geworden, wie schön die deutsche Sprache klingen kann.“ Ich hatte sie erreicht – singend in einer Sprache, die sie vorher nicht leiden konnte. Dafür war ich von den Indianern zurückgekehrt…

Ihr Programm auf dem LINKE-Hof am letzten Tag des Altstadtsommers heißt: "Kaleidoskop 2019". Was dürfen die Besucher ihres Konzertes erwarten?
Wenn man ein Kaleidoskop dreht, entstehen durch die Neuordnung der vielen kleinen Spiegel neue Farben und Bilder. Genau das tue ich mit meinem Programm: Ich drehe und wandere so durch die Zeiten von damals bis heute, über die Kontinente durch die Welt. Ich dichte auch gern nach und baue Brücken, indem ich Lieder ins Deutsche hole, die eigentlich nach Brasilien, Russland oder Frankreich gehören. All diese Lieder haben etwas mit mir zu tun und natürlich erzähle ich, warum. Ich singe ein paar meiner alten Hits und ich probiere immer auch gern eigenes, ganz neues Material aus, bevor ich es im Studio aufnehme. Dieses Jahr wird mein achtzehntes Album erscheinen. Mehr über www.eisbrenner.de  

Glauben Sie, dass ein Lied die Welt retten kann?
Es ist die Haltung eines Künstlers und seines Liedes, die Spuren hinterlässt und wieder Haltungen sät. Und wenn die Zeit gekommen ist, können diese Haltungen die Welt ein bisschen besser machen – ob nun im Stillen oder mit einem lauten Schrei. Und wer wäre ich, wenn ich das nicht wenigstens versuchte.

Konzert auf dem LINKE-Hof
Magdeburger Str. 22, Bad Belzig
Sonntag, 25. 08., 13:30-14:45 Uhr

 


Buchtipp zum Thema

Picasa

Buchtipp:

Das Lied vom Frieden

Der Sänger und Poet Tino Eisbrenner veröffentlicht damit sein drittes autobiografisches Buch.

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