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Gedenken an die Opfer des KZ-Außenlagers Ravensbrück – Röderhof

Vor 66 Jahren ist Belzig kampflos an die Sowjetarmee übergeben worden, Dank der Initiative von Pfarrer Erich Tschetschog und Lehrer Artur Krause / Rede von Uta Hohlfeld

Uta Hohlfeld während der Rede am 3. Mai.

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Einwohnerinnen und Einwohner.
verehrte Gäste unserer Stadt!

Mein Name ist Uta Hohlfeld, ich bin Abgeordnete der Fraktion Die Linke in Bad Belzig. Ich bin 1962 in Frieden geboren und aufgewachsen.

Wir treffen uns Jahr für Jahr an diesem Ort, um anlässlich des Jahrestages der kampflosen Übergabe Belzigs an die Rote Armee im Jahr 1945 der Opfer des KZ-Außenlagers Ravensbrück – Röderhof zu gedenken.
An zahlreichen Orten in Europa und der Welt finden in diesen Wochen ebenfalls Gedenkveranstaltungen statt. 

Bereits vor einigen Tagen waren auf dem Weg zur Gedenkfeier in Ravensbrück ehemalige französische Gefangene und deren Nachkommen hier.
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Vor wenigen Wochen begingen wir den 100. Jahrestag des Internationalen Frauentages. Viele Jahre davon – zu viele mussten und müssen leider noch heute die Frauen der Welt Krieg und Leid ertragen.

In seiner Rede am 8. Mai 1985 zum 40. Jahrestag der Befreiung sagte Richard von Weizsäcker über die Frauen:

 „Heute erinnern wir uns dieses menschlichen Leids und gedenken seiner in Trauer. Den vielleicht größten Teil dessen, was den Menschen aufgeladen war, haben die Frauen der Völker getragen. Ihre Leiden, ihre Entsagung und ihre stille Kraft vergisst die Weltgeschichte nur allzu leicht. Sie haben gebangt und gearbeitet, menschliches Leben getragen und beschützt. Sie haben getrauert um gefallene Väter und Söhne, Männer, Brüder und Freunde. Sie haben in den dunkelsten Jahren das Licht der Humanität vor dem Erlöschen bewahrt. Am Ende des Krieges haben sie als erste und ohne Aussicht auf eine gesicherte Zukunft Hand angelegt, um wieder einen Stein auf den anderen zu setzen, die Trümmerfrauen in Berlin und überall. Als die überlebenden Männer heimkehrten, mussten Frauen oft wieder zurückstehen. Viele Frauen blieben auf Grund des Krieges allein und verbrachten ihr Leben in Einsamkeit. Wenn aber die Völker an den Zerstörungen, den Verwüstungen, den Grausamkeiten und Unmenschlichkeiten innerlich nicht zerbrachen, wenn sie nach dem Krieg langsam wieder zu sich selbst kamen, dann verdanken wir es zuerst unseren Frauen.“[3] (Zitat- Ende)

Mehr als 700 Frauen wurden hier im Außenlager Röderhof unter Misshandlungen und Folter gezwungen, als Zwangsarbeiterinnen in der Munitionsfabrik Schwerstarbeit zu leisten. Sie wurden aus Ravensbrück hierher gebracht. Wenn sie  zu schwach und krank waren, an den Folgen der Unterernährung und Misshandlungen starben, zu Tode gequält oder erschossen wurden, brachte die SS immer neue Frauen aus dem KZ aus Ravensbrück hierher. 

Den überlebenden Frauen fiel und fällt es sehr schwer, an den Ort des von ihnen erlebten Grauens und für uns unvorstellbaren Leids zurück zukehren. Sie tun es dennoch - für eine friedliche Zukunft – für unsere und die unserer Kinder und Enkel.

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Siehe auch: Fotogalerie
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In einem Interview von Gerhard Dorbritz im Jahre 1990 mit der ehemaligen belgischen Gefangenen Madeleine De Mol–Verneirt antwortete sie auf die Frage: „Welche Gedanken haben Sie ob der Tatsache, dass der Neofaschismus versucht, überall an Einfluss zu gewinnen?“:
„Dieser Fakt ist für uns sehr besorgniserregend. Viele unserer Kameradinnen haben in Belzig ihr Leben gelassen. Allein auf dem Todesmarsch am 24. und 25. April 1945, wo wir nur bis Altengrabow kamen, wurden vier belgische Frauen von der SS erschossen. Unser Schwur am 25. April 1945 in Belzig war, nie wieder Krieg und Faschismus zuzulassen.“ [1]

Was müsste ich als Deutsche ihr und den anderen von Deutschen geknechteten Frauen heute darauf antworten?

Ich müsste ihnen heute leider sagen, dass weder die Kriegsgefahr noch die Gefahr des Neofaschismus gebannt sind.  Im Gegenteil:

Aufmärsche von Neonazis sind in der BRD und Europa wieder an der Tagesordnung. Diese werden durch große Polizeiaufgebote vor den Demokraten, die aus breiten Schichten der Bevölkerung kommen,  unter dem fadenscheinigen Vorwand der Versammlungsfreiheit geschützt. Das Verbotsverfahren gegen die NPD wird nach wie vor durch den Verfassungsschutz verhindert, der seine V-Männer nicht aus dieser Partei nimmt. Seit Jahrzehnten werden Alt – und Neonazis in Parlamente gewählt und erhalten staatliche Gelder.
Ihre Strategien haben sich geändert. Biedere Angepasstheit, das Verstecken der wahren Absichten in vermeintlich harmlosen Vereinen und Bürgerinitiativen haben auch zu einem Zulauf zu rechtsextremen Parteien und Verbreitung rassistischer Gesinnung in der Mitte der Gesellschaft geführt. Als Wolf im Schafspelz erschleichen sie sich öffentliche Ämter, um die Gesellschaft zu unterwandern und in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Ich müsste Madeleine De Mol-Verneirt auch antworten, dass etwa 50 km von hier entfernt das Einsatzkommando für Auslandseinsätze der Bundeswehr arbeitet und ca. 6.800 Soldaten der Bundeswehr derzeit an mehreren Standorten der Welt im militärischen Einsatz sind.
Schon seit 10 Jahren ist die BRD an dem Krieg der USA und der NATO gegen Afghanistan beteiligt – wieder verantwortlich für tote Männer, Frauen und Kinder, für Leid und Trauma. Mit dieser Kriegsbeteiligung setzt sich jedoch die BRD über den Mehrheitswillen der Bevölkerung hinweg. Mindestens 70% der Bevölkerung sind dagegen, dennoch kommt es im Bundestag immer wieder zur Verlängerung des Mandats der Bundeswehr.

Jeder Krieg beginnt mit einer Lüge. Die Einstiegslügen heißen heute:
Kampf gegen den Terror, Schaffung von Demokratie.
Doch Terror kann man nicht mit Krieg bekämpfen und Demokratie wird durch Krieg und Besatzung meist erst unmöglich gemacht.

Doch warum ist es bisher nicht gelungen, Frieden auf der Welt zu schaffen?
Es geht um Macht, Einfluss, Bodenschätze, wirtschaftliche Interessen.
Krieg ist ein lukratives Geschäft.
So war Hitler die Marionette der Großkonzerne und Finanzeliten. Diese profitierten, im wahrsten Sinn des Wortes von dem enormen Bedarf an Waffen, Munition und Massenvernichtungsmitteln auf der ganzen Welt. Sie verdienten an dem Tod und der Misshandlung anderer Menschen. Leider muss ich Madeleine De Mol-Verneirt antworten, dass sich auch daran nichts geändert hat. Im Gegenteil. Die BRD ist inzwischen der drittgrößte Rüstungsexporteur der Welt. 35% aller deutschen Waffenexporte gingen in afrikanische Staaten südlich der Sahara.
Der zweifelhafte Titel der BRD, Exportweltmeister zu sein – ist deshalb kein Grund stolz zu sein. Im Gegenteil. Fragen wir lieber warum.

Kaum besser als in diesen Tagen kriegerischer Konflikte und Auseinandersetzungen in Nordafrika, im Nahen und mittleren Osten lässt sich belegen, wie sich auch deutsche Rüstungskonzerne daran bereichern.
Dank der hemmungslosen Waffenexportpolitik der Bundesregierung vermelden die EADS, mit ihrem größten Anteilseigner Daimler-AG und die Heckler&Koch GmbH beste Gewinne. Im Fall des Libyen-Krieges  profitiert die EADS von Waffentransfers beiderseits der Front.
Die EU-Verfassung ist leider auch auf die Militarisierung der EU-Staaten gerichtet. Welch ein Geschenk für die Konzerne und welch eine große Herausforderung an alle friedliebenden Menschen.

Auch im KZ-Ravensbrück ging es ums Geschäft. Durch die Beschäftigung von Arbeitssklaven konnten die Rüstungskonzerne Riesen-Extraprofite herausschlagen. Allein im Monat Februar 1945 leisteten Zwangsarbeiter vieler Nationen mehr als 5 Mio. Arbeitsstunden und sehr viele mussten dafür mit ihrem Leben bezahlen. [2]

Ich war fassungslos, als ich eine so genannte Rentabilitätsrechung der SS las.

Für den Verleih der Zwangsarbeiter aus dem KZ Ravensbrück an die Unternehmen erhielten sie täglich pro Arbeiter 6 RM. Für die Ernährung und Bekleidung rechneten sie 0,70 RM, blieben noch 5,30 RM pro Gefangenen. Sie veranschlagten eine Lebensdauer von 270 Tagen, multipliziert mit 5, 30 RM ergab dies einen Gewinn von 1.431 RM pro Gefangenen. Doch damit nicht genug.
Zusätzliche Erlöse kalkulierten sie aus Zahngold, Wertsachen, Kleidung und Geld bei rationeller Verwendung der Leiche, abgezogen 2 RM für die Verbrennung kamen sie auf einen Gewinn von 1.631 RM pro Gefangenen. Hinzu rechneten sie noch den Erlös für die Verwertung der Knochen und Asche. Welch bestialisches Kalkül.
Dies alles ist nicht vorstellbar und dennoch müssen wir es zur Kenntnis nehmen, weil es so war - und immer wieder in unser Gedächtnis rufen. Deshalb sind wir heute hier her gekommen und deshalb werden wir jedes Jahr kommen. [2]

Doch nur wenn wir auch aus der Vergangenheit lernen, hat dies einen Sinn.

Wie erfüllen wir nun das Vermächtnis von Madeleine De Mol-Verneirt und der anderen Frauen?
Mit gutem Gewissen können wir berichten, dass sich die Bad Belziger rassistischen und neofaschistischen Angriffen in ihrer Stadt entgegen stellen und aktiv für ein demokratisches, friedliches Miteinander eintreten.

Wir sind aufmerksamer geworden und das ist wichtig.
Heute und in Zukunft kann keiner mehr sagen, er wusste von nichts. Nutzen wir deshalb die uns zur Verfügung stehenden Informationsquellen und Medien im friedlichen Sinne.

Nutzen wir die vorhandenen demokratischen Möglichkeiten der Mitbestimmung und des Protestes und setzen wir uns für deren Ausbau ein.

Sind wir hellwach und lassen uns nicht täuschen!

Verfolgen wir z.B. den Umbau der Bundeswehr kritisch. Schauen wir hinter die so genannten Friedensmissionen und humanitären Einsätze. Hinterfragen wir Entwicklungen und lassen sie nicht laufen. Viel öfter sollten wir wieder die Frage stellen – wem nützt es?

Lassen wir uns nicht manipulieren, hinein lügen in Feindschaft und Hass, in Rassismus und Intoleranz.
Schöpfen wir hier und heute aus der Trauer über Verlust und Leid die Kraft, um uns aktiv gegen jedwede Anfänge der Menschenverachtung zu wehren.

Wer, wenn nicht wir? Wann, wenn nicht jetzt?

Deutsche Faschisten haben hier an diesem Ort das Leben von vielen Hundert Frauen und das Glück ihrer Familien zerstört. Wir sind es diesen Frauen schuldig und bei unseren Kindern und Enkeln in der Verantwortung. Die Gefahr des Vergessens ist real.

Schauen wir nicht weg, werden wir nicht nur wütend sondern handeln wir auch:
Gemeinsam, über Partei- und Landesgrenzen hinweg.


Uta Hohlfeld
Fraktionsvorsitzende DieLinke.Bad Belzig
03.Mai 2011

 

 
Quellen:  [1] Der Röderhof  in Belzig; Gerhard Dorbritz; 1993
  [2] Die Frauen von Ravensbrück; Kongress-Verlag  1959
  [3] Richard von Weizsäcker am 8.Mai 1985 im Bundestag


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